Schwächen des Niedersachsen-Modells

(Verw.Gericht VerwG Ffm 8/99 Frankfurt am Main - Beschl. v. 25.08.1999 - 8G3502/98 (3))

Das Niedersachsen-Modell oder Niedersachsen-Verfahren wird von Gutachterausschüssen für Grundstücke (GAG) in Niedersachsen als Bewertungsverfahren für die Berechnung von Ausgleichsbeträgen (AB) nach §154 (2) BauGB gewählt. Diese Tatsache ist fragwürdig!!

Die Erhebung der AB ist Sache der Gemeinden. Diese kann sich aber nicht auf die schlichte Übernahme dieser Berechnungsergebnisse beschränken, zumal derartige Gutachten keine bindende Wirkung haben (§ 193 (4) BauGB!

Der verwaltungsmäßig gegebene Schätzungsspielraum der Gemeinde ist von dieser zu begründen.

Sowohl hinsichtlich der Methode der Bewertung als auch der Vertretbarkeit des gefundenen Ergebnisses. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat sich in seinem ( im Zeitpunkt der Veröffentlichung) nicht rechtskräftigen Beschluss vom 25.8.1999 -8G 350y2/98 (3) mit dieser Frage beschäftigt.

Der Beschluss enthält die folgenden Leitsätze:

1. Bei der Errechnung des Ausgleichsbetrages für sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen nach § 154 Abs. 2 BauGB besteht für die Gemeinde ein Schätzungsspielraum, der Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte hat. Der eingeräumte Spielraum bei der Bewertung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung enthebt die Gemeinde aber nicht davon, die Methode der Bewertung plausibel offen- und darzulegen, damit die Vereinbarkeit des gewählten Bewertungsverfahrens mit dem durch die Wertermittlungsverordnung vorgegebenen Verfahren sowie die Vertretbarkeit des gefundenen Ergebnisses gerichtlich überprüft werden kann. 2. Die Ermittlung der Bodenwerterhöhung mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden kann grundsätzlich nur dann gelingen, wenn die Methode auf ortsspezifischen oder aber auf mit den ortsspezifischen Verhältnissen vergleichbaren Untersuchungen beruht, was die Gemeinde darzulegen hat. 3. Es ist im Rahmen der Prüfung im Eilverfahren nicht feststellbar, dass die Berechnungsmethode nach Kanngieser/Bodenstein bei der Ermittlung sanierungsbedingter Bodenwerterhöhungen generell zu sachgerechten Ergebnissen führt.

Wie in unserem Fall vor dem Verwaltungsgericht Hannover 12 B 3788/00 war auch die Frage der aufschiebenden Wirkung des Bescheides zu entscheiden:

Die aufschiebende Wirkung der Klage ist nach § 80 Abs. 5 Satz l VwGO anzuordnen, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen. Nach § 80 Abs. 4 VwGO ist bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten in diesem Fall die Aussetzung der Vollziehung, die von der Ag. nunmehr versagt wird, der Regelfall. Besonderheiten, die die Versagung der Aussetzungen rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts liegen immer schon dann vor, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg. Der Ausgang des Klageverfahrens gegen den nach § 154 Abs. 5 Satz l BauGB erhobenen Ausgleichsbetrag ist völlig offen. Eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide ist ebenso wahrscheinlich wie die Klageabweisung, weil das Gericht hinsichtlich der von der Ag. angewandten Berechnungsmethode eine umfangreiche Aufklärung für notwendig hält, die der Ag. mit Verfügung vom heutigen Tage aufgegeben wurde. Die Berechnung des Ausgleichsbetrags durch die Ag. ist - was die Ast. zu Recht rügt - nicht nachvollziehbar.

Das BauGB hat im Ersten Teil seines Dritten Kapitels (§§192-199) die Wertermittlung näher beschrieben. Eine Kaufpreissammlung, die alle beurkundeten Grundstücksübergänge (im Bundesgebiet) sammelt und das zeitrechte Marktgeschehen wiedergibt, steht den GAG zur Verfügung.

Das Ziel ist die Feststellung des "Verkehrswerts" ( § 194 BauGB).

Schwieriger ist dieses Ziel zu erreichen, wenn die Kaufpreissammlung nicht ausreichend Vergleichsmöglichkeiten bietet. Das Nds.-Modell ist kein klassisches Wertermittlungsverfahren i.S. der Wertermittlungsverordnung (WertV) - siehe Abschnitt Studie "Wertermittlung" - Der vierte Teil der WertV (§§ 26-29) unter Ergänzende Vorschriften enthält besondere Weisungen für die verschiedenen Berechnungen der verschiedenen Ausgleichsbeträge.

Da in Alfeld im Rahmen der Sanierung lediglich die Veränderung der Straßen- und Platzräume geplant war, muss im Rahmen des Vergleichsverfahrens (§§13 +l4 und 12 (2)) wenigstens der nachhaltig erzielbare Ertrag zum Vergleich herangezogen werden:

In Alfeld erreichen die qm-Preise im Falle eines realen Verkaufs fast die Höhe des Kaufpreises -siehe Abschnitt Archiv/Häuser ohne Wert.

§ 154 (2) BauGB spricht vom Unterschied zwischen dem Anfangswert und dem Endwert, also einem Vergleich von getrennt ermittelten Werten. Das Nds.-Modell vergleicht aber sanierungsbedingte Sachverhalte und ermittelt die werterhöhende Komponente (für Grundstücke einschl. Gebäuden) mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden, nämlich eines Koordinatenkreuzes Missstände/Maßnahmen (Klassifikationsrahmen)

Aber hier die Überlegungen des Gerichts:

Ob sich die Ag. bei der Errechnung des Ausgleichsbetrags nach § 154 Abs. 2 BauGB innerhalb des ihr zustehenden Schätzungsspielraums gehalten hat, ist weder anhand des vorgelegten Verwaltungsvorganges noch mittels des zur Antrags- bzw. Klageerwiderung Vorgetragenen überprüfbar. Nach § 154 Abs. 2 BauGB ist die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung grundsätzlich aus dem Unterschied zweier voneinander unabhängig zu ermittelnder Bodenwerte, dem Anfangs- und Endwert, durch Preisvergleich im sogenannten Vergleichswertverfahren nach der Wertermittlungsverordnung zu ermitteln (BVerwG, NVwZ-RR 1997, 83 = NJW 1996, 1766; OVG Münster, Urt. vom 9.4.1990 - 22 A 1630/ 87 -, GuG 1991, 342; Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: September 1999, § 28 WertV Rn. 44).

Der der Ag. eingeräumte Spielraum bei der Bewertung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung setzt voraus, dass sie die Methode der Bewertung plausibel offen- und darlegt, damit die Vereinbarkeit des gewählten Bewertungsverfahrens mit dem durch die WertV vorgegebenen Verfahren sowie die Vertretbarkeit des gefundenen Ergebnisses innerhalb der denkbaren Spannbreite überhaupt beurteilt werden kann.

Aufgrund des bisherigen Vorbringens zur Erläuterung der Methode nach Kanngieser/Bodenstein vermag das Gericht die Behauptung der Ag., sie sei nach dem Vergleichswertverfahren vorgegangen, nicht nachzuvollziehen. Der von der Ast. vorgebrachte Einwand, die Ag. habe die Ermittlung eines Endwertes unterlassen, scheint jedenfalls insoweit zuzutreffen, als der Endwert nach dem Verfahren Kanngieser/Bodenstein "direkt" ermittelt wurde, also durch die isolierte Berechnung werterhöhender Faktoren und nicht durch einen Preisvergleich, wie dies nach §§ 28 Abs. l, 26 Abs. l i. V. m. §§ 13 ff. WertV vorgesehen ist. Das Verfahren scheint eher der von Kleiber beschriebenen Komponentenlösung (Kleiber, WertV §28 Rn. 44) zu entsprechen, die ebenfalls eine direkte Ermittlung der sanierungsbedingten Werterhöhung durch eine Bewertung der werterhöhenden Komponenten versucht, die dem Vergleichswertverfahren allenfalls angenähert ist (Kleiber, WertV § 28 Rn. 49).

Ob das grundsätzlich nur ausnahmsweise zulässige Abweichen vom Vergleichswertverfahren (BVerwG. NJW 1996. 1766 = NVwZ-RR 1997, 83; OVG Münster, Urt. vom 8.4. 1990 - 22 A 1630/87 -, GuG 1991. 342; Köhler, in: Schrödter, BauGB, 6. A. § 154 Rn. 17) hier als Folge des Fehlers von Vergleichswerten zulässig ist oder weil es sich letztendlich um ein mit der WertV vereinbares Verfahren handelt, kann erst nach umfänglicher Aufklärung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens beurteilt werden.

Grundsätzlich kann die Ermittlung werterhöhender Komponenten mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden nur dann gelingen, wenn sie auf ortsspezifischen oder aber auf mit den ortsspezifischen Verhältnissen vergleichbaren Untersuchungen beruht (Kleiber, WertV § 28 Rn. 49). Dem Einwand der Ast.. dass die Gefahr bestehe, dass die Methode Kanngieser/Bodenstein allein auf mit den Frankfurter Verhältnissen nicht vergleichbaren Erhebungen aus anderen Bundesländern (der Methode liegen Erhebungen aus sechs Bundesländern zugrunde - ZfV 1989, 529) beruht, ist die Ag. substantiiert nicht entgegengetreten.

Die Entfernung vom Marktgeschehen wird in den imaginären Alfelder Grundstücksbewertungen nach dem Nds.-Modell (Ende) 1981: 230,-DM für 1a-Lagen, 1983: 800,-DM und 1996: 900,-DM pro qm deutlich.

Diese Beliebigkeit drückt sich im Vergleich einiger Kleinstädte im Hildesheimer Raum mit vergleichbaren Einwohnerzahlen aus. 1a-Lagen in Stadtoldendorf: 190.-DM/qm Bodenwerder: 220,-DM/qm - Sarstedt: 470,- DM/qm und Alfeld: 900,-DM/qm.

Nach dem Bericht des Oberen Gutachterachterausschusses 1998 für den Bereich des Regierungsbezirks Hannover ist noch ein Vergleich der DM/qm-Preise im Verhältnis zur Einwohnerzahl der typischen Orte des Reg. Bez. möglich: Alfeld: 72,6 DM/qm im Reg.Bez. Durchschnitt aber dagegen 39,3 (und noch ein Korrekturwert ohne die Städte Bad Pyrmont und Alfeld 34,6 DM/qm (immer 1a-Lagen).

Darüber hinaus ist die Einordnung in den Klassifikationsrahmen des Nds.-Modells wegen unscharfer Abgrenzung nicht exakt möglich zumal ungenaue Begriffe Verwendung finden.

Hierzu die Ausführungen des Gerichts:

Darüber hinaus wohnt der Methode Kanngieser/Bodenstein aufgrund der bisherigen Angaben der Ag. eine gewisse Beliebigkeit inne, was darauf beruht, dass die Einordnung in die Klassifikationsrahmen für "Missstände" und "Maßnahmen" unklar ist, weil unter die jeweiligen Begriffe nicht eindeutig subsumiert werden kann. So stehen beispielsweise in dem Komplex 3 der Klassifikationsrahmen (Nutzung, Verdichtung, Gemengelage) die zur Auswahl stehenden Klassen teilweise zusammenhanglos nebeneinander und lassen sich auch nicht mit hinreichender Verlässlichkeit voneinander abgrenzen. Dies beruht darauf, dass die verwendeten Klassen keine Steigerungen in einem einheitlichen Bewertungsrahmen darstellen. Nur dann ergebe die Einordnung in eine gute oder schlechte Klasse (der Rahmen reicht von "überwiegend funktionsgerecht" bis "unzumutbare Verhältnisse") in einem Klassifikationsrahmen von 1-10 aber Sinn. Die Beschreibungen in den Klassen 4-6 ("Gemengelage mit geringen Beeinträchtigungen" (4), "hohe Verdichtung" (5) und "übermäßige Verdichtung" (6) sind inhaltlich schon aus sich heraus unverständlich. Nicht nachvollziehbar ist, welche Gemeinsamkeiten die Einordnung eines städtebaulichen Zustandes in die Klasse 4 ("Gemengelage mit geringer Beeinträchtigung") oder in die Klasse 5 ("hohe Verdichtung") und damit eine Steigerung auf einer einheitlichen Skala rechtfertigt.

Dass mit der Einordnung innerhalb der Klassifikationsrahmen erhebliche Folgen verbunden sein können, verdeutlicht folgendes Beispiel: Wenn man unter Zugrundelegung der Berechnung im angefochtenen Widerspruchsbescheid in der Rubrik "Missstände" für den Komplex "Bebauung" nicht die Klasse 7 (grundlegend instandsetzungs- und modernisierungsbedürftig) vergibt, sondern die Klasse 6 (im wesentlichen instandsetzungs- und modernisierungsbedürftig), errechnet man ein arithmetisches Mittel von 13 : 4 = 3,25, abgerundet 3. Vergibt man sodann im Klassifikationsrahmen für städtebauliche Maßnahmen in dem Komplex Bebauung anstatt der Klasse 7 (durchgreifende Modernisierung und Instandsetzung) ebenfalls die Klasse 6' (umfassende Modernisierung und Instandsetzung), errechnet- sich auch hier ein arithmetisches Mittel von 1l3 : 4=3,25.abgerundet auf 3.

Die Folge wäre bei der Einordnungen in die Matrix eine siebenprozentige Werterhöhung, aus der sich nur eine Ausgleichsabgabe von 40 113,36 DM errechnete anstatt der im Widerspruchsverfahren errechneten 63035,18 DM.

Vergibt man stattdessen in den Komplexen "Bebauung" jeweils die Klasse 8, so bliebe der festzusetzende Ausgleichsbetrag infolge der nunmehr anstehenden Aufrundung des arithmetischen. Mittels gleich, ein nicht nachvollziehbares Ergebnis.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Qualität des Niedersachsen-Modells nicht den Rang eines (einfachen) Wertermittlungsverfahren i.S. der WertV beanspruchen kann. Da es an einer Würdigung des Aussageergebnisses der Wertberechnungen fehlt (§ 7 WertV) müssen Gemeinden und Gutachter an einen Teilbetrag zu Ungunsten des Betroffenen gedacht haben - siehe 'Abschnitt Studie/Verdener Beichte".

Bei Beschränkung der Sanierung, wie in Alfeld, dürfte auf die Veränderung der Erdoberfläche der Straßen überhaupt keine Erhöhung der "Verkehrswerte" eingetreten sein.

: 4=3,25.abgerundet auf 3.

Die Folge wäre bei der Einordnungen in die Matrix eine siebenprozentige Werterhöhung, aus der sich nur eine Ausgleichsabgabe von 40 113,36 DM errechnete anstatt der im Widerspruchsverfahren errechneten 63035,18 DM.

Vergibt man stattdessen in den Komplexen "Bebauung" jeweils die Klasse 8, so bliebe der festzusetzende Ausgleichsbetrag infolge der nunmehr anstehenden Aufrundung des arithmetischen. Mittels gleich, ein nicht nachvollziehbares Ergebnis.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Qualität des Niedersachsen-Modells nicht den Rang eines (einfachen) Wertermittlungsverfahren i.S. der WertV beanspruchen kann. Da es an einer Würdigung des Aussageergebnisses der Wertberechnungen fehlt (§ 7 WertV) müssen Gemeinden und Gutachter an einen Teilbetrag zu Ungunsten des Betroffenen gedacht haben - siehe 'Abschnitt Studie/Verdener Beichte".

Bei Beschränkung der Sanierung, wie in Alfeld, dürfte auf die Veränderung der Erdoberfläche der Straßen überhaupt keine Erhöhung der "Verkehrswerte" eingetreten sein.

"Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen dienen der Allgemeinheit" (§136 (4) BauGB.

Siehe Broschüre der Stadt Alfeld 1984/85 - Vorwort der Kommentierung -Link zu Abtg. Archiv/Broschüre

- siehe Mustereinführungserlass unter Mitwirkung des Bundesbauministeriums Link: file//intemet/Sanierungl.htm Arbeitshilfe Sanierungs-/Entwickelungsmaßnahmen

- siehe Auszug a.d. Verw.Vorschr. z. BauGB v.1988 geänd.1996 Link: wbaugb - http://hörne, tt-oni ine de hörne/ peter schuetz/wbaugb.htm