Verdener Beichte

Schon bei der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes (BBauG) im Jahre 1960 war man sich klar. dass die städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nur durch ein besonderes Gesetz geregelt werden konnten. Es dauerte bis 1.8.1971, bis das Gesetz, gemeint ist das StBauFG, in Kraft treten konnte.

"Bei der Verabschiedung des Gesetzes... standen vor allem zwei Ziele im Vordergrund: Die Einführung eines neuen bodenrechtlichen Instrumentariums, verbunden mit erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger, und die Begründung eines finanziellen Engagements von Bund und Ländern für die Erneuerung und Anpassung von Städten und Gemeinden an veränderte städtebauliche Erfordernisse".

(Siehe Broschüre der Stadt Alfeld 1984/85 - Vorwort der Kbmmentierung)

Mit Wirkung zum 1.7.1987 wurde das Baugesetzbuch (BauGB) erlassen, und zwar zusammengestellt aus den Texten des BBauG im l. Kapitel unter der Überschrift "Allgemeines Städtebaurecht" und des StBauFG im 2.Kapitel unter der Oberschrift "Besonderes Städtebaurecht". Im 2. Kapitel gibt es die Regelung "Beiträge der Anlieger" "zur Deckung des nicht gedeckten Aufwands" nicht.

"Im Sanierungrecht wird die besondere sanierungsrechtliche Finanzierungssystematik, die stets eine "Wertlösung" und keine "Kostenlösung" verfolgt, auch....

(Mustereinführungserlass. erarbeitet von der Fachkommission Städtebauliche Erneuerung der ARGBAU unter Mitwirkung des Bundesbauministeriums und der Kommunalen Spitzenverbände - Quelle: Internet).

Um den Willen des Gesetzes in diesem -finanziellen - Punkt ganz deutlich zu machen, ist im § 154(1) als Satz 2 aufgenommen:

"Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs.2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden".

§ 127(2) zählt als Erschließungsanlagen u.a. auf "die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze". - Übrigens im Absatz 4 dieses Paragraphen sind "Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser" aufgeführt. Auf diese Anlagen bezieht sich die Nichtanwendungsvorschrift nicht wie wir ja durch die Heranziehung in den vergangenen Jahren wissen.

Unsere Freunde aus Achim hatten, eine Vereinigung (außerhalb des Haus- + Grundbes. Vereins) geschaffen. Auf eigene Kosten haben sie ein 'Verkehrswert-Gutachten" für ein Mitglied beim Gutachterausschuss für den LK Verden (Gl 11/1998) beantragt. Als wir dieses Gutachten durchgearbeitet hatten, war uns die Sache klar. Es gab eine Erklärung, schwarz auf weiß, wie die Absurdität der Bodenbewertung durch die Gutachterausschüsse geschätzt worden sind. Nämlich unter Einbeziehung eines Anteils der Kosten durch Anwendung des Niedersachsen-Modells unter der (falschen) Bezeichnung als Ausgleichsbeträge. Schon die Formulierung im unserem Alfelder Gutachten schürte unser Misstrauen:

Der Gutachterausschuss für Alfeld: "Ferner ist hier zu berücksichtigen, dass anders als nach Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Alfeld (Leine) und Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) die hohen Kosten für den Straßenausbau bzw. -emeuerung nicht auf die Grundeigentümer umgelegt werden dürfen, sondern nur Ausgleichsbeträge erhoben werden dürfen"

Aber die Vokabeln: "Unparteilichkeit", "Selbständigkeit" und "Unabhängigkeit" für die Gutachtertätigkeit ließen mehr als Misstrauen nicht zu. - Aber das Verdener Gutachten ließ "die Katze aus dem Sack" . (Aus Versehen...?!) Auf Seite 12 des Gutachtens heißt es unter der Überschrift:

2.2.3. ERSCHLIESSUNGSBE1TRÄGE:

Es sind "nach §154 Abs. l Satz 2 BauGB die Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen nicht anzuwenden. Dies bedeutet, dass die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die betreffenden Anlagen (Straßen, Wege, Plätze .....) - sonst obligatorisch - ausgeschlossen ist. Die Freistellung der Grundstücke steht gleichsam als Äquivalent der zukünftigen Belastung mit Ausgleichsbeträgen gegenüber".

(Gutachten Gl 11/1998 vom 3.11.1998 - Gutachterausschuss für den Bereich des Landkreises Verden o Katasteramt in 27711 Osterholz-Scharmbeck, Pappstraße 4)

Man mag es gar nicht glauben! Da geben Gutachterausschüsse 'Verkehrswertgutachten" heraus, die die Werte des Bodens, so wie es das Gesetz verlangt, nicht wirklichkeitsgetreu widerspiegeln. Sie schätzen "Beiträge besonderer Art", bezeichnen diese als Erhöhung der Bodenwerte und setzen die Gemeinden in die Lage, wider besseres (früheres) Wissen, Abschöpfungen vorzunehmen. Die Gutachter, so will es das Gesetz, sollen frei von Weisungen und ausschließlich nach eigenem Sachverstand entscheiden.

Hatte in Alfeld die Gemeinde noch darauf hingewiesen, dass nach einer Aktualisierung anl. der endgültigen Festsetzung der Ausgleichsbeträge durch Bescheid die Zahlungen noch höher sein würden, um die braven Bürger zur freiwilligen Zahlung zu veranlassen, so gehen die Gemeinden neuerdings andere Wege. In Hoya etwa sieht man die kurz entschlossenen, freiwillig Zahlenden als Pioniere an und gewährt ganz ungeniert Rabatt. (Eine selbstherrliche Maßnahme, wenn es sich tatsächlich - was aber gerade bestritten wird - um eine Forderung der Allgemeinheit handeln würde) - Die Zeitung Haus und Grund Niedersachsen 9/2000 schreibt:

Zum Thema "Sanierungsgebiet Ortskern Vilsen": "Auf reges Interesse waren die Ausführungen der Gemeindevertreterin Christa Buchholz und des Vorsitzenden des Gutachterausschusses des Landkreises Diepholz, Wilhelm Steinhauer, gestoßen, nachdem die Kommune den Eigentümern eine Ablösevereinbarung vorgeschlagen hatte. Danach ist die Gemeinde bereit, den Eigentümerinnen und Eigentümern, die sich für eine Ablösung des Ausgleichsbetrages entscheiden und die entsprechende Vereinbarung bis Ende des Jahres 2000 abschließen, einen sogenannten "Pionierabschlag" in Höhe von 10 Prozent auf die Ausgleichssumme anzurechnen".

Aber wie weit ein Gutachterausschuss-Vorsitzender die Unsicherheit - vermutlich wegen seines Unbehagens über die festgestellten "Verkehrwerte" seines Ausschusses - treiben kann, entnimmt man aus den folgenden Zeilen:

"Steinhauer berichtete über die Vorgehensweise der Ermittlung der Grundstückswerte vor und nach Abschluss des Sanierungsverfahrens. Er betonte aber, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht im Einzelfall öffentlich diskutiert werden dürften und empfahl daher den Fragestellern, das Gespräch mit der Gemeinde zu suchen."