Niedersachsen-Modell

Bei der Wertermittlung ist beschrieben, dass Verkehrswerte nach § 194 und unter Anwendung der WertV ermittelt werden. Dabei ist gedanklich davon auszugehen, dass sowohl der Anfangs- als auch der Endwert jeder für sich ermittelt werden. Die gesuchte Wertsteigerung ergab sich dann durch Subtraktion des Anfangswerts vom Endwert. Beim Niedersachsen-Modell wird der sanierungsbedingte Mehrwert aber direkt ermittelt.

Wir geben hier Schindelheim/Wilde das Wort in

"Die Abschöpfung des Sanierungsmehrwerts"
Osnabrücker Rechstwisenschaftliche Abhandlungen
Carl Heymanns Verlag KG Köln - Berlin - Bonn -München
Seiten 41 bis 43...

"Dritter Abschnitt Bemessung der Höhe

6. Modell Niedersachsen

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a) Differenzielle Wertermittlungsmethode

... Wie geschieht dies nun? Der Anfangswert des zu bewertenden Grundstücks muß bekannt sein; er ist unter Zuhilfenahme eines anderen Wertermittlungsverfahrens zu bestimmen. Unter Anwendung des Modells "Niedersachsen" wird der sanierungsbedingte Mehrwert dann als prozentuale Wertsteigerung des Anfangswertes bestimmt. Diese unmittelbare Berechnung des Mehrwertes ist als sogenannte differenzielle Wertermittlung in der Literatur anerkannt.

b) Inhalt

Im einzelnen beruht das Modell "Niedersachsen" auf der Überlegung, daß sich sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen aus dem Umfang der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen ableiten lassen. Je sanierungsbedürftiger ein Grundstück oder ein Gebiet war und je weitgehender infolgedessen die Sanierung ging, desto höher muß prinzipiell auch die Wertsteigerung ausfallen. Im Grunde genommen handelt es sich um eine mathematische Umsetzung dieses Gedankens. Die mathematische Umsetzung vollzieht sich folgendermaßen.

Im ersten Schritt werden die städtebaulichen Missstände im jeweiligen Sanierungsgebiet erfaßt und bewertet. Zu ihrer Erfassung werden vier Komplexe geschaffen, nämlich Bebauung, Struktur (Eigentumsverhältnisse, Erschließung), Nutzung (Verdichtung, Vermischung) und Umfeld (Verkehr, Infrastruktur). Diese Komplexe werden ihrerseits in zehn Wertungsklassen gegliedert; in jeder einzelnen dieser Wertungsklassen werden die Komplexe in bezug auf die vorhandenen Missstände beschrieben, d.h., für jeden Komplex stehen insgesamt zehn verschiedene Möglichkeiten zur Beurteilung der städtebaulichen Missstände zur Verfügung. Beginnend mit Klasse l mit geringfügigen Mißständen beschreiben die nächsthöheren Wertungsklassen bis Klasse 10 immer mangelhaftere Verhältnisse. Für Klasse l wird dabei der Wert l, für Klasse 2 der Wert 2 vergeben usw. Dadurch ergeben sich nach der Bewertung der Mißstände insgesamt vier Werte nämlich für jeden Komplex einer. Aus diesen wird der Mittelwert gebildet, der nun die Gesamtwertung hinsichtlich der Missstände darstellt.

Im nun folgenden zweiten Schritt folgt die sich entsprechend vollziehende Erfassung und Bewertung der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen. Dabei werden diese in die gleichen vier Komplexen eingeteilt, wie schon vorher die Mißstände (Bebauung, Struktur, Nutzung, Umfeld). Jeder Komplex wird für sich wieder in 10 Klassen eingeteilt, von geringfügigen Maßnahmen innerhalb dieses Komplexes (Klasse l) bis zur umfassenden Sanierung (Klasse 10). Nachdem die ermittelten Klassen wiederum mit entsprechenden Werten aus der Skala l bis 10 bewertet wurden, ist aus den vier sich ergebenden Ziffern der Mittelwert zu bilden. Mit diesen beiden Mittelwerten liegen nun zwei Kennziffern vor, die es ermöglichen, aus einer Koordinatentabelle die prozentuale Wertsteigerung abzulesen. Genau genommen werden vier verschiedene Tabellen benutzt, die sich nach den Anfangswerten der Grundstücke richten.

c) Herleitung des Verfahrens

Das Verfahren Modell "Niedersachsen" geht zurück auf die Idee von Oelfke. Die von Oelfke vermuteten Abhängigkeiten wurden in der Folgezeit statistisch belegt; und zwar wurde versucht, bereits bekannte Bodenwertsteigerungen unter Anwendung der Überlegungen von Olfke im nachhinein ein zweiten Mal zu ermitteln. Es sollte also überprüft werden, ob man mit dem Klassifikationsrahmen zu den gleichen Wertsteigerungen gelangt. Diese Untersuchungen gingen durch Anwendung mathematischer Regressionsfunktionen vonstatten. Die Ergebnisse wurden als plausibel angesehen, so daß das Verfahren daraufhin von der Praxis aufgenommen wurde.

Aus der verwendeten Datengrundlage ergab sich eine weitere Besonderheit: Da Daten aus ganz Niedersachsen benutzt wurden, wird das Verfahren generell als unabhängig vom örtlichen Grundstücksmarkt angesehen. Eine weitere Untersuchung des Fachbereichs Vermessungswesen der Fachhochschule Hamburg konnte sich auf Daten aus weiteren Ländern stützen, nämlich aus Berlin, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Das Verfahren ist nach dieser zusätzlichen Untersuchung ein weiteres Mal mathematisch präzisiert worden.

d) Kritik

Eine kritische Bewertung des Verfahrens hat Schmalgemeier vorgenommen: Auf der Hand liegt natürlich zum einen der Einwand, daß bei der Beurteilung der Mißstände und Maßnahmen ein kaum nachprüfbares Ermessen zur Anwendung gelangt. Darüber hinaus hält Schmalgemeier das Verfahren für nicht anwendbar bei völliger Umstrukturierung des Sanierungsgebietes. Probleme werden außerdem eingeräumt bei der Ermittlung sehr geringer oder sehr hoher Wertsteigerungen. Auch nach dem Modell Niedersachsen gewonnenen Ergebnisse sind daher keinesfalls als endgültige Gewißheiten anzusehen.

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