Resümee unseres Anliegens nach dem Beschluss des OVG

von Dipl.-Finanzwirt Herbert Fiedler, Alfeld


Wie ist es eigentlich zum terminus technicus "Ausgleichsbetrag" im BauGB gekommen? Schon 1965 hatte die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Aber erst zum 1.8.1971 konnte das StBauFG in Kraft treten. Der Gesetzgeber hielt für seine zentrale Vorstellung von Sanierung des Städtebaus eine - wenn auch nur teilweise Übertragung der zu sanierenden Grundstucke an die Gemeinden für geboten. Die weichenden Eigentümer erhalten ihre Grundstucke nach dem Übergang (Vorkaufsrecht /Enteignung) zu einem Preis zurück, der die durch Sanierung erzielte Verbesserung einschließt. Das heißt: Zum Marktwert (Verkehrswert).

Zum Ausgleich musste beim bleibenden Eigentümer eine etwa durch die Sanierung entstandene Werterhöhung des Bodens abgeschöpft werden. So ist der Begriff "Ausgleichsbetrag" entstanden und so ist er zu verwenden.

Das Baugesetzbuch regelt daher:

Gem. § 154 Absatz 1 hat der Eigentümer wegen der durch Sanierung bedingten Erhöhung seines Grundstückswerts einen Ausgleichsbetrag zu zahlen.

Nach Absatz 2 ist die Berechnung der etwaigen Werterhöhung geregelt: Unterschied zwischen Anfangswert ohne Sanierungsabsicht und dem Wert nach der Neuordnung des Sanierungsgebiets (Endwert).

Ausnahmen

Für Erschließungsmaßnahmen (d.h. Veränderungen an öffentlichen Straßen, Plätzen und sonst in §127 (2) aufgeführten Maßnahmen) werden keine Beiträge erhoben. (§154 (1)

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen dienen der Allgemeinheit. Daher ist die Erhebung von Beiträgen, wie nach dem Allgemeinen Städtebaurecht für die Anbindung von (privaten) Flächen zur ordnungsgemäßen Nutzung (§129(1)) ausgeschlossen.

Es fehlt an der Gegenleistung!

Korrekte Unterrichtung durch die Stadt vor der Sanierung

In einer Broschüre wurde in Alfeld den Betroffenen mitgeteilt, dass das StBauFG zwei Ziele verfolge:

1. Einführung eines neuen bodenrechtlichen Instrumentariums und

2. Begründung eines finanziellen Engagements von Bund und Ländern.

Ausgleichsbeträge werden nicht nach den Kosten der Ordnungsmaßnahmen, sondern nach dem Einfluss der Sanierung auf die Grundstücke, etwa auf eine geschaffene Erschließung durch Änderung der baulichen Ausnutzung.

Oder wie der RdErl d. MS vom 2.5.1988 bemerkt: Endwert ist der Neuordnungswert des Grundstücks. Da in Alfeld lediglich eine Veränderung der Straßen- und Platzräume geplant und durchgeführt wurde, war nicht mit einer Veränderung der Lage der Grundstücke, damit auch nicht mit Ausgleichsbeträgen, zu rechnen.

10.1.1995: Alfeld entschließt sich für den Ausgleichsbetrag

ln der Sitzung fiel mir die hohe Schätzung der Gutachter auf. Aus meiner aktiven Dienstzeit in der nds. Finanzverwaltung wusste ich, dass etwa der höchste Bodenrichtwert, Leinstraße/Marktstraße, 200 bis 300 DM betrug. (Tatsächlich: Mindestens ab 1.1.1981 230 DM während der gesamten Zeit der Sanierung).

Die Gutachter haben zum 1.1.1993 800 DM geschätzt. Auf meine Anfrage wies der Vorsitzende auf eine sorgfältige Computererhebung hin. Das Katasteramt teilte mir am 17.11.1997 mit, dem Bodenrichtwert seien Erschließungskosten hinzugerechnet, aber nicht warum. Später, als in der Presse der Marktbericht vorgestellt wurde mit Bodenrichtwerten von weniger als 400 DM für Alfeld im Landkreis,verweigerte das Katasteramt uns die Beantwortung.

Jedenfalls kann man nicht von Marktpreisen sprechen, die abschöpfbar wären.

Unsere Bemühungen um rechtliche Klarheit - Bewertung nach BauGB: "Verkehrswert" !!

Im allgemeinen Bewertungsrecht gibt es viele Modelle, z.B. das bebaute Grundstück vermindert durch das Gebäude als Last. -

Das BauGB wollte Missstände beseitigen und Altlasten durch Neuordnung von Grundstücken neu gestalten. Zum Wohl der Allgemeinheit! Nennenswerte Wertsteigerungen an Grundstücken einzelner privater Grundstückseigentümer sollten als ungerechtfertigt abgeschöpft werden. Wie dies im bürgerlichen Recht als ungerechtfertigte Bereicherung ebenso ist. Natürlich zu Marktpreisen, also dem Verkehrswert.

Das BauGB schreibt für die Rückübereignung von der Gemeinde veräußerter Grundstücke ausdrücklich den "Verkehrswert" vor (§153 (4))!

In jahrelangen Bemühungen bei vielen möglichen Stellen konnten wir keine Erläuterung der Schätzungsgrundlagen erreichen, während die Stadt Alfeld die Gutachterergebnisse ex officio für nicht verhandelbar erklärte.

Zuständigkeit der Gemeinde und Gutachterausschuss

Die Stadt Alfeld ist Gläubiger der Ausgleichsbeträge und zuständig für die Erhebung. Zwecks Ermittelung der Schätzungsgrundlagen bedient sie sich der selbständigen, unabhängigen Gutachterausschüsse bei den Katasterämtern. Die Gemeinde beantragt den Bericht und übernimmt ihr geeignet erscheinende Daten in ihre Ermittlungsgrundlagen. Die Daten werden somit Daten der Stadt.

Der Ausschuss-Bericht bezieht sich nicht auf die Betroffenen. Im übrigen haben die Gutachten per Gesetz keine bindende Wirkung (§193 (4).

Die Stadt entzieht sich einer Würdigung der Ergebnisse.

Das Bauministerium in Bonn:

Da das BauGB ein Bundesgesetz ist, haben wir auch das Bauministerium angeschrieben. Wenn auch keine Entscheidung in der Sache haben wir doch unmißverständlich die ministerielle Auffassung erhalten:

"Da sich dieser Ausgleichsbetrag nach dem tatsächlichen Wertzuwachs der Grundstücke bemisst, gehen mit seiner Erhebung keine Vermögenseinbußen einher."

(aus dem Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr- Bau- und Wohnungswirtschaft an uns vom 4. Jan 1999)

Anschließend erhielt ich unverhofft den tel. Anruf des zuständigen Referenten für Ausgleichsbeträge, Herrn Dr. H., der mich fragte: "Wir haben schon öfters aus Niedersachsen gehört, wie können die Niedersachsen mit Hilfe der Ausgleichsbeträge ihre Bürger derart abzocken?"

Auf meine Frage antwortete er, er kenne aus seiner Region Fälle von 4stelligen DM-Beträgen, Höchstwert nach seiner Erinnerung 10.000 DM.

Die falschen Vorstellungen der Gemeinden

Auf die Frage eines Ratsherrn nach der Höhe der Ausgleichsbeträge antwortete der Vertreter der Stadt Alfeld: 80. bis zu 90.000 DM.

Diese Indizien bedeuten Vermögenseinbußen für die Betroffenen wegen einer Veränderung der Straßenoberflächen und die Nichtbeachtung des besondern Finanzierungsgrundsatzes "Wertlösung" und nicht "Kostenlösung". Es können nicht nur Bodenpeissteigerungen nicht festgestellt werden, sondern Geschäfte mussten kündigen oder schließen.

Mit der Allgemeinheit haben die Betroffenen durch ihre Steuerzahlungen bereits zur Finanzierung der Sanierung beigetragen.

Dennoch fordern viele Gemeinden, so auch Alfeld, stark überhöhte Beträge, die als Gewinn der Betroffenen bezeichnet werden, weil die Gutachten der angesehenen Ausschüsse zwar als Verkehrswertgutachten bezeichnet wurden, aber keine "Verkehrswerte" i.S. des BauGB enthalten.

aus Achim bei Bremen

Im Gutachten für einen Betroffenen aus Achim hat der Ausschuss zur Nichtanwendung von Beiträgen für Erschließungsanlagen gemäß (§ 154 (1) Satz 2) einen besonderen Abschnitt aufgenommen:

ERSCHLIEßUNGSBEITRÄGE
"ES SIND NACH § 154 ABS.1 SATZ 2 BAUGB DIE VORSCHRIFTEN ÜBER DIE ERHEBUNG VON BEITRÄGEN FÜR DIESE MAßNAHMEN NICHT ANZUWENDEN. DIES BEDEUTET, DASS DIE ERHEBUNG VON ERSCHLIEßUNGSBEITRÄGEN FÜR DIE BETREFFENDEN ANLAGEN (STRAßEN, WEGE, PLÄTZE...)SONST OBLIGATORISCH - AUSGESCHLOSSEN IST. DIE FREISTELLUNG DER GRUNDSTÜCKE STEHT GLEICHSAM ALS ÄQUIVALENT DER ZUKÜNFTIGEN BELASTUNG MIT AUSGLEICHSBETRÄGEN GEGENÜBER."

(Gutachten GI 11/1998 - Gutachterausschuss für den Bereich des Landkreises Verden, Katasteramt in 27711 Osterholz-Scharmbeck, Pappstraße 4)

Mit diesen Bemerkungen wollte der Ausschuss wohl deutlich machen, dass er keine "Verkehrswerte" feststellt. Ähnliche Passagen finden sich auch im Alfelder Bericht.

aus Hoya

Aus der Zeitung Haus und Grund Niedersachsen 9/00 ergibt sich der bezeichnende Fall, dass die Gutachter das Licht der Öffentlichkeit scheuen und die Gemeinde mit Preisnachlass winkt.

Der Vorsitzende des Gutachterausschusses erläuterte der Versammlung in Hoya die Ermittlung der Anfangs- und Endwerte und betonte anschließend, dass diese "nicht im Einzelfall öffentlich diskutiert werden dürften" und empfahl Gespräche mit der Gemeinde.

Diese bot einen "Pionierabschlag" in Höhe von 10% an bei Abschluss der freiwilligen Vereinbarung vor Ablauf des Jahres 2000.

aus Bad Salzgitter-Lebenstedt

Wir fanden aber auch im großstädtischen Bereich den Bericht des Gutachterausschusses der kreisfreien Stadt Salzgitter, aus dem eine saubere Anwendung der Mittel der WertV zu entnehmen ist.

In Salzgitter führt die Tatsache, dass während der Sanierungszeit kaum Kaufpreise verfügbar sind, dazu, dass der Anfangswert

"AUF DEN BODENRICHTWERT (VOR DER SANIERUNG) ZURÜCKGEGRIFFEN WIRD". DER BODENRICHTWERT WURDE MIT 480 DM ANGENOMMEN UND WEGEN ABWEICHUNG DES WERTERMITTLUNGSOBJEKTS VOM TYPISCHEN BAUREIFEN GRUNDSTÜCKS INNERHALB DES KERNGEBIETES (GESCHOßFLÄCHENZAHL 2,0) NACH ANWENDUNG DER WERTERMITTLUNGSRICHTLINIEN 91 (GESCHOSSFLÄCHENZAHL 2,1) AUF 495 DM FESTGESTELLT (ANFANGSWERT).

In Salzgitter fand in der bewerteten Zone die planerische Gestaltung einer großstädtischen Ansprüchen genügenden Passage statt mit der gleichzeitigen Anlegung von Kolonaden. In Alfeld fand fast ausschließlich Straßenerneuerung statt.

"Häuser ohne Wert...!?" - Variable Anfangswerte

Da mir die Daten bekannt wurden, habe ich an Hand des Verkaufsfalles meines Nachbar-Grundstücks aus dem Jahre 1995 die kühnen Wertkurven der Stadt Alfeld mit den Bodenrichtwerten der Gutachter im Koordinatensystem verglichen und damit die ganze Willkür sichtbar gemacht.

Mit den Werten 31.12.1993 800 DM und 26.11.1998 900 DM ist die Kurve bereits zur Anwendung gekommen, obgleich für jeden erkennbar geschäftlich Verödung eintrat.

ANLAGE: Wert eines 750 qm-Grundstücks in der Leinstraße

Wenn man bedenkt, dass die Gutachter Jahr für Jahr (hier v.1981 bis 1999) ihre obligatorische Jahressitzungen absolvierten und immer wieder zum Ergebnis kamen: keine Änderung der Werte sowohl konjunkturell noch durch Sanierung entstanden, dann dürfte es sicher sein, dass eine besondere, sachfremde Wertermittlungsmethode angewendet wurde, die abweichend von freier gutachterlicher Erfahrung den Wünschen und Vorstellungen der Stadt entgegenkommt, die allerdings nicht zu den allein gültigen Werten des BauGB führt.

Bodenrichtwert 31.12.1998 Alfeld 230 DM - Seite 66 der Richtwertübersicht des Landkreises Hildesheim aus dem Marktbericht 1998 des Regierungsbezirks Hannover

Das Niedersachsenmodell

Das Nds. Modell ist im Fall der Veränderungen von Straßenoberflächen ungeeignet. Denn dieses vergleicht nicht getrennt ermittelte Werte, sondern sanierungsbedingte Sachverhalte und ermittelt die werterhöhende Komponente mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden, nämlich eines Koordinatensystems "Maßnahmen/ Missstände" (Klassifikationsrahmen). Erzielt wird ein Prozent-Satz des Grundstückswertes.

Die für die Leinstraße ermittelten 8% Steigerung ist nicht Thema unserer Petition.

Keinesfalls ist das Niedersachsen-Modell vorgesehen, den Gemeinden nach Ausschluss des § 127 im § 154 die sonst üblichen Beiträge zu verschaffen. Die Gutachter in Verden sind fälschlicherweise gerade davon ausgegangen.

Als Glieder der Allgemeinheit haben die Betroffenen mit ihren Steuerbeträgen bereits die Finanzierung der für die Allgemeinheit veranstalteten Sanierung getragen. Niedersächsische Sondersteuer für Sanierungsgrundstücke? Erst nach der Sanierung?

Alfeld, 6. Dezember 2002