Kläger an OVG am 11.03.2002
Aktenzeichen: 1 MA 4153/01
In der Verwaltungsrechtssache
Fiedler RAe. Dres. Eßig pp.
./. Stadt Alfed (Leine) RAe. Dehne pp.

danken wir für die gewährte Fristverlängerung und tragen weiter vor:

1.
Der Antragsteller bleibt bei seinem Einwand, die Sanierungsmaßnahmen sind seit längerer Zeit praktisch abgeschlossen. Die Antragsgegnerin hat allerdings auch aus sachwidrigen Gründen die verbleibenden minimalen Arbeiten lange hinausgezögert. Statt innerhalb von zehn Jahren die Maßnahmen zum Abschluss zu bringen, ist heute noch ein kleines Teilstück der Straße Seminarstraße mit einer neuen Straßenoberbelagsdecke zu versehen. Darüber hinaus stehen weitere Maßnahmen nicht an. Grund für die Verzögerung ist, dass die Antragsgegnerin während des laufenden Sanierungsverfahrens die Ausgleichsbeträge für sich selbst verwenden kann. Nach Beendigung der Sanierung jedoch gilt das Prinzip der Dreiteilung, ein Drittel der eingehenden Beträge sind an den Bund, ein weiteres Drittel an das Land sowie schließlich ein Drittel (nur) für die Antragsgegnerin zu verteilen. Es braucht nicht weiter darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass diese Vorgehensweise mehr als sachwidrig ist. Die Antragsgegnerin ist daher so zu behandeln, als wären die Maßnahmen, was im übrigen ohne weiteres möglich gewesen wäre, längst abgeschlossen. Fiskalische Erwägungen dürften nicht zu dem Etikettenschwindel der "Vorauszahlung" führen.

Ferner verbleibt es bei dem Einwand, dass es sich tatsächlich nicht um Sanierungsmaßnahmen im Sinne von § 136 ff. BauGB gehandelt hat. Tatsächlich handelte es sich bei den Sanierungsmaßnahmen zu etwa 90 % um eine Erneuerung des Straßenoberflächenbelages der Straßen. Dadurch werden jedoch nicht städtebauliche Missstände verbessert oder umgestaltet. Vielmehr handelt es sich gegebenenfalls um Erschließungsmaßnahmen. Die Maßnahmen gewinnen auch deshalb nicht den Charakter einer "Sanierung", weil hinsichtlich des verbleibenden, prozentual geringfügigen Anteils lediglich noch folgende Maßnahmen durchgeführt worden sind:

  • - Offenlegung eines bislang unterirdisch verlaufenden Bachlaufes (die Warne) im Bereich der Marktstraße, die vom Marktplatz abgehend zur Leinstraße führt. Hier ist die Straße als Folge der Maßnahme schmaler geworden, sie ist Fußgängerzone geworden.
  • - Veränderungen im Bereich des Bahnhofes an der Gebäudesubstanz; allerdings liegt der Bahnhofsbereich weit außerhalb des eigentlichen Sanierungsgebietes und macht ohnehin nur einen Bruchteil der Gesamtfläche aus, zudem liegt er räumlich weit getrennt.
  • - Entstehung des Kaiserhof-Carrees im Bereich der Leine/Leinebrücke; hier handelt es sich allerdings um nahezu ausschließlich private Investoren, die Stadt ist praktisch nicht beteiligt worden.
  • - Herrichtung öffentlicher Parkplätze weit vom Stadtzentrum entfernt (nordöstlich) bei gleichzeitiger Beseitigung der innerstädtischen Parkplätze, öffentliche Unterstützung für die Sanierung von Gebäuden in diesem Bereich fand nicht statt.

Die lediglich im zeitlichen Zusammenhang errichtete sogenannte Nordtangente hat mit der Sanierung ebenso wenig zu tun wie der einspurige Ausbau des Parkwalls als Gegenstück zur Verkehrsbeeinträchtigung der Leinstraße (Einbahnstraße). Auch dies geschah bereits zeitlich weit vor der Sanierung. So findet sich dann auch kein Vortrag, wo dann, wie von der Antragsgegnerin behauptet, die Wohnqualität präzise verbessert worden sein soll. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass in den eigentlichen Teilen der "Sanierungszone", insbesondere im Bereich der Leinstraße, sich ausschließlich gewerbliche Nutzung befindet und keine Wohnnutzung.

2.
Die Antragsgegnerin hat ihr Satzungsermessen auch insofern fehlerhaft ausgeübt, als der Sanierungsbereich ganz offenkundig viel zu groß gewählt worden ist. Hätte die Antragsgegnerin tatsächlich überall Sanierungsmaßnahmen oder zumindest ein Aufbringen des Straßenoberbelages vorgenommen, so hätte es Sinn gemacht, die gesamte Fläche zum Sanierungsgebiet zu erklären. Tatsächlich jedoch ist bei weitem nicht der gesamte Teil des Sanierungsgebietes einer Sanierung unterzogen worden.

3.
Wir überreichen als

Anlage AB 3

eine vom Antragsteller gefertigte Skizze, welche den Wert eines 750 qm großen Grundstücks in der Leinstraße in DM-Beträgen ab 1981 und geschätzt für das Jahr 2006 zeigt. Zum Objekt Leinstraße 17 und 17 a hatten wir bereits vorgetragen, insbesondere dazu, dass sich anhand dieses Beispiels gut zeigen lässt, zu welchen absurden Ergebnissen die Wohnrichtwertkarte führt. Auch vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, wie das Verwaltungsgericht davon ausgehen kann, für das Grundstück des Antragstellers hätte sich die Werterhöhung von 8 % gerade nicht realisiert. Es geht überhaupt nicht um die 8 %, sondern um die bereits ausführlich geschilderte abnorme Steigerung. Gerade der Wert, von dem ausgehend die 8 % berechnet worden sind, steigt, wie auch aus der Anlage AB 3 ersichtlich, jährlich an.

Dies führt zu dem bereits angesprochenen sachwidrigen Resultat, dass die Antragsgegnerin durch Verzögerung des Sanierungsabschlusses den eigenen Vorteil ohne weiteres selbst bestimmen kann. Jegliche Verzögerung der Sanierung führt zu einer angeblich weiteren Steigerung des Bodenwertes auch ausweislich Anlage AB 3.

4.
Wir überreichen noch als

Anlage AB 4

Kopie eines Zeitungsausschnittes der Alfelder Zeitung vom 13. Februar 1998, in dem die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte vorgelegte Marktanalyse für das Jahr 1997 zusammengefasst wird. Danach bietet die Antragsgegnerin die preisgünstigsten Baugrundstücke an. Dies geht mit den angeblich exorbitanten Preissteigerungen gemäß der Bodenrichtwertkarte insofern jedenfalls nicht einher.

Als

Anlage AB 5

überreichen wir Kopie eines weiteren Zeitungsausschnittes der Alfelder Zeitung vom 4. Oktober 2001, der Bezug nimmt auf das Gutachten der Industrie- und Handelskammer hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Alfelder Innenstadt. Hieraus ergibt sich, dass die von der Antragsgegnerin vorgenommene "Parkplatzlösung" unsinnig ist, da der Kunde nicht mehr die Möglichkeit hat, bis vor das Geschäft zu fahren. Bei einer, wie von der Antragsgegnerin behauptet, erfolgreichen Sanierung wäre die IHK-Studie sicherlich anders ausgefallen.

Auf die Vergleichwerte in Nachbargemeinden bzw. Städten ist bereits verwiesen worden. In Salzgitter etwa ist ausgehend von einem Bodenrichtwert von 495,00 DM pro Quadratmeter gemäß dem "Niedersachsen-Modell" eine Bodenwertsteigerung von 5,5 % angenommen worden. Die exorbitanten Steigerungen in der Stadt Alfeld sind auch darauf zurückzuführen, dass während der Sanierungszeit kaum Kaufpreise verfügbar waren, die Änderung von 230,00 DM auf 500,00 DM innerhalb von wenigen Jahren macht bereits deutlich, dass die Zahlen hier lediglich willkürlich gegriffen worden sind.

Die Richtigkeit der von der Antragsgegnerin zunächst bestrittenen IHK-Studie zeigt sich auch darin, dass die Antragsgegnerin nunmehr die Studie zum Anlas nimmt, entsprechende Vorschläge zu machen. Bezeichnend und für dieses Verfahren ganz besonders bedeutsam ist ein Artikel in der Alfelder Zeitung vom 3. März 2002, den wir als

Anlage AB 6

überreichen.

Mit den dort vorgeschlagenen vier Varianten wird klar, dass das gesamte Sanierungskonzept der Antragsgegnerin als

gescheitert

anzusehen ist.

Der Umfang der Fußgängerzone hat sich als viel zu weit herausgestellt, auch die Verkehrsführung als unsinnig. Wenn man zudem bedenkt, dass die Sanierungsmaßnahmen angeblich noch nicht einmal abgeschlossen seien, die Diskussion um die Zweckmäßigkeit die doch schon jetzt mit Nachdruck eingesetzt hat, so fragt sich, welche öffentlichen Gelder hier mittlerweile verschwendet worden sind. Mit der Anlage AB 6 spätestens zeigt sich, dass das städtebauliche Ermessen der Antragsgegnerin mehr als überschritten worden ist. Offenbar ist eine neue, tatsächliche Sanierung nach § 136 BauGB notwendig. Die Funktionsfähigkeit des Gebietes hinsichtlich des fließenden bzw. ruhenden Verkehrs ist jedenfalls durch die "Sanierungsmaßnahmen" nicht verbessert worden.

Jedenfalls steht - hilfsweise - fest, dass, wenn überhaupt, von der Antragsgegnerin behauptet, eine Erhöhung des Bodenwertes in erheblicher Weise eingetreten ist, dies nicht durch die Sanierung "bedingt" im Sinne von § 154 Abs. 2 BauGB erfolgt ist, also nicht durch die Sanierungsmaßnahmen verursacht worden wäre. Eine erfolglose Sanierung kann eine Bodenwerterhöhung zu keiner Zeit verursachen.

Dr. Selk
Rechtsanwalt


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