VERWALTUNGSGERICHT HANNOVER
Az.: 12 B 3788/00
BESCHLUSS



In der Verwaltungsrechtssache

des Diplom-Finanzwirts Herbert Fiedler, Leinstraße 18, 31061 Alfeld

Antragsteilers,

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. Essig und andere, Bahnhofstraße 7 c, 21465 Reinbeck - 868/00S11 Z/D6/D16959

gegen

die Stadt Alfeld, vertreten durch den Bürgermeister, Marktplatz 12, 31061 Alfeld

Antragsgegnerin,

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. Dehne und andere, Bahnhofstraße 29, 31008 Elze. - 00/03685 03-

Streitgegenstand: Vorauszahlung auf den Ausgleichsbetrag - Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat das Verwaltungsgericht Hannover -12. Kammer - am 23. November 2001 beschlossen:

Soweit die Beteiligten das vorläufige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 61/62 und die Antragsgegnerin zu 1/62.

Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 7.767,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten streiten wegen der Vorauszahlung auf einen Ausgleichsbetrag.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück 12/1 der Flur 11 der Gemarkung Alfeld (Leine) "Perkwall" zur Größe von 15 m2, für die im Liegenschaftsbuch die Nutzung "Straße" eingetragen ist. Des weiteren ist er Eigentümer des sich unmittelbar östlich anschließenden und mit einem Gebäude in teilweise geschlossener Bauweise bebauten Grundstücks Flurstück 12/2 "Leinstraße 18" zur Größe von 578 m2. Dieses Grundstück liegt westlich der Leinstraße und ist im Gegensatz zu den östlich der Leinstraße gelegenen Grundstücken über den Perkwall rückseitig erschlossen. Das Gebäude ist mehrgeschossig ausgestaltet und wird im Erdgeschoss zur Leinstraße hin gewerblich als Ladengeschäft genutzt. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Satzung der Antragsgegnerin über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes .Altstadt Alfeld (Leine)einschließlich des Bereiches "Am Bahnhof" vom 19.12.1985 (ABI. Ldkr. Hildesheim 1986, S. 85, 90). Nach der vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Hildesheim (im folgenden: Gutachterausschuss) für den Stichtag des 26. November 1998 erstellten Bodenrichtwertkarte, der ein Gutachten vom 19. Oktober 1994 und eine am 14. September 1994 für den Stichtag des 31. Dezember 1993 erstellte Bodenrichtwertkarte vorausgegangen ist, liegt das Flurstück 12/1 vollständig in der Bodenrichtwert-Zone (BRW-Zone) 1.1 mit einem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert) in Höhe von 450,00 DM/m2 und einem Bodenwert, der sich durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert) in Höhe von 486,00 DM/m2. Das Flurstück 12/2 liegt nur mit seinem westlichen Teil, dessen Größe die Antragsgegnerin mit 308 m2 ermittelt hat, innerhalb der BRW-Zone 1.1. Der östliche Teil zur Größe von 270 m2 liegt innerhalb der BRW-Zone 1 (Gemischte Baufläche), für die ein Anfangswert in Höhe von 900,00 DM/m2 und ein Endwert in Höhe von 972,00 DM/m2 ermittelt wurde.

Die Sanierungsziele umfassen die Steigerung der Attraktivität des zentralen Geschäftsbereichs unter Berücksichtigung der vorhandenen Gebäudestruktur, die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, die Verbesserung der Lebensbedingungen, vor allem unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten, die Erhaltung des historischen Stadtgrundrisses, des Stadtbildes und schützenswerter Bausubstanz, die Stärkung der Wohnfunktion und die Schaffung eines Systems u.a. von Parkplätzen. Die Sanierungsmaßnahme führt u.a. zu einem Rückbau der Leinstraße bzw. deren Umgestaltung in eine Fußgängerzone. Sie soll nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht vor 2005 abgeschlossen werden, ist jedoch im Bereich der Grundstücke des Antragstellers nahezu beendet.

Mit Schreiben vom 3. März 2000 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit, zur Stellungnahme und Erörterung der für die Wertermittlung seiner Grundstücke maßgeblichen Verhältnisse.

Mit einem Bescheid vom 30. Mai 2000 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller sodann die Vorauszahlung auf einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 31.068,00 DM fest und forderte den Antragsteller auf, diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides zu überweisen. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 2. Juni 2000 zugestellt. In dem Bescheid teilte die Antragsgegnerin die Gesamtgröße der beiden Grundstücke sowie die Anfangs- und Endwerte der BWR-Zonen mit.

Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 27. Juni 2000 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Den Aussetzungsantrag lehnte die Antragsgegnerin mit einer Verfügung vom 2. August 2000 ab.

Mit einem am 15. August 2000 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz sucht der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führt er aus, dass die Antragsgegnerin nicht zur Sanierung berechtigt gewesen sei, weil kein städtebaulicher Misstand bestanden habe. Es seien auch keine Sanierungsmaßnahmen, sondern Erschließungsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Heranziehungsbescheid lasse es insoweit an der notwendigen Begründung vermissen. Dessen ungeachtet wäre die Beibehaltung des Durchgangsverkehrs in der Leinstraße für sein Ladengeschäft vorteilhafter gewesen. Die Maßnahme habe nicht zu einer Sanierung der Innenstadt, sondern zu deren Verödung geführt. Wohnungen in der Fußgängerzone seien wegen der fehlenden Erreichbarkeit für Fahrzeuge praktisch nicht mehr vermietbar. Außerdem sei die Antragsgegnerin nicht zur Erhebung von Vorauszahlungen berechtigt, weil die Maßnahme nahezu abgeschlossen sei. In keinem Fall sei jedoch durch die Maßnahme' eine Bodenwertsteigerung erfolgt. Dem Bescheid fehle bereits eine nachvollziehbare Berechnung des Vorauszahlungsbetrages. Der bloße Verweis auf die Feststellungen des Gutachterausschusses sei unzulässig. Die angewandte Berechnungsmethode "Modell Niedersachsen" sei ungeeignet. Eine Kaufpreissammlung habe nicht vorliegen können, da nur unbebaute Grundstücke zur Wertermittlung berücksichtigt werden dürfen. Der Bodenrichtwert (des östlichen Teils) seines Grundstücks Flurstück 12/2 sei nicht nachvollziehbar und fern ab von jeder Realität nach den Vorstellungen des Gutachterausschusses seit 1981 von 230,00 DM/m2 auf 972,00 DM/m2 gestiegen. Lege man die Berechnung der Antragsgegnerin zugrunde, sei sein Grundstück im unbebauten Zustand allein 412.128,00 DM wert. Ein solcher Wert sei nicht zu realisieren und übersteige den vergleichbar höchsten Bodenwert in Sarstedt von 400,00 DM/m2 bei weitem. Sein aufstehendes Gebäude sei damit praktisch nichts mehr wert. Die Abgrenzung der Gebiete sei nicht nachvollziehbar. Es hätte ein individuelles Wertgutachten eingeholt werden müssen.

Während des Verfahrens hat die Antragsgegnerin mit schriftsätzlicher Erklärung vom 12. September 2000 die Vollziehung des Vorausleistungsbescheides vom 30. Mai 2000 hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 540,00 DM (15 m2 x 36,00 DM) wegen der im Liegenschaftsbuch für das Flurstück 12/1 genannten Nutzung "Straße" ausgesetzt.

Der Antragsteller erklärt

den Rechtsstreit hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 540,00 DM für erledigt und

beantragt im Übrigen,

die aufschiebende Wirkung seines unter dem 27. Juni 2000 erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Mai 2000 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin

schließt sich der Teilerledigungserklärung des Antragstellers an und

beantragt im Übrigen,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt den Vorauszahlungsbescheid und erwidert, dass eine gebietsbezogene Funktionsschwächensanierung vorgenommen werde. Insbesondere durch den Umbau der Leinstraße und die Einrichtung einer Fußgängerzone sei eine Entlastung vom Landesstraßendurchgangsverkehr eingetreten, Parkplätze und Anlieferzonen geschaffen und hierdurch nach heutigem Verständnis gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse geschaffen worden. Das noch streitbefangene Grundstück des Antragstellers sei seit jeher erschlossen gewesen. Die Sanierung sei in zahlreichen Veranstaltungen dargestellt worden und sei dem Antragsteller auch im einzelnen bekannt. Die Antragsgegnerin rechne nicht mit einem Abschluss der Sanierung vor dem Jahre 2005, so dass Vorauszahlungen erhoben werden dürften. Hinsichtlich der Berechnung der Wertsteigerung durch den von ihr zulässigerweise angerufenen Gutachterausschuss sei festzuhalten, dass das "Modell Niedersachsen" allgemein anerkannt sei. Der Wert des Grundstücks des Antragstellers betrage zumindest das 2fache des Bodenrichtwerts in Höhe von 412.128,00 DM. Der Antragsteller habe die Gelegenheit zur Erörterung des Werts vor Erlass des Vorauszahlungsbescheides nicht genutzt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die dem Gericht zur Einsicht vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

1. Soweit die Beteiligten das vorläufige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2. Im Übrigen muss dem Antrag der Erfolg versagt bleiben.

Der Ausgleichsbetrag, den der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zu entrichten hat, stellt eine sofort vollziehbare öffentliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO dar (BVerwG, Urteil vom 17.12.1992, NVwZ 1993. S. 1112). Das Gericht kann deshalb gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO die aufschiebende Wirkung des von dem Antragsteller rechtzeitig erhobenen Widerspruchs gegen die Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf den Ausgleichsbetrages im vorliegenden Verfahren noch streitigen Höhe von 30.528,00 DM anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakt bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Berechtigung der Antragsgegnerin, den Antragsteller zu einer Vorauszahlung auf den Ausgleichsbetrag heranzuziehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung der Vorauszahlungspflicht für den Antragsteller eine ' unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte darstellt, hat der Antragsteller bereits nicht substantiiert vorgetragen. Aus diesem Grund ist die Antragsgegnerin auch nicht nach § 155 Abs. 4 des Baugesetzbuches - BauGB - verpflichtet, von der Erhebung eines Ausgleichsbetrages ganz oder teilweise abzusehen.

Die Antragsgegnerin ist gemäß § 154 Abs. 6 BauGB ermächtigt, vom Eigentümer eines im förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks auf den nach § 154 Abs. 1 bis 4 BauGB zu entrichtenden Ausgleichsbetrag Vorauszahlungen zu verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist. Letzteres ist unstreitig der Fall. Die Berechtigung zur Erhebung einer Vorauszahlung ist auch nicht deshalb erloschen, weil die Sanierungsmaßnahme abgeschlossen wäre. Beide Beteiligten haben übereinstimmend vorgetragen, dass sie zwar weitgehend fortgeschritten ist. Jedoch hat auch der Antragsteller dem Vortrag der Antragsgegnerin, sie rechne mit einer Beendigung der Sanierung nicht vor 2005, nicht substantiiert widersprochen. Gleich ob die Einschätzung der Antragsgegnerin zutrifft, ist jedenfalls für die Kammer nicht offensichtlich, dass die Sanierungsmaßnahme zum Zeitpunkt des Erlasses' des Vorauszahlungsbescheides vom 30. Mai 2000 abgeschlossen war.

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Antragstellers liegt auch eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme im Sinne von § 136 BauGB vor. Nach § 136 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind städtebauliche Sanierungsmaßnahmen Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Städtebauliche Missstände liegen nach § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BauGB u.a. vor, wenn das Gebiet nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse der in ihm wohnenden und arbeitenden Menschen nicht entspricht. Dabei sind für die Beurteilung der Frage, ob in einem städtischen Gebiet städtebauliche Missstände vorliegen, nach § 136 Abs. 3 Nrn. 1 f) und 2 a) BauGB insbesondere die von Verkehrsanlagen ausgehenden Einwirkungen, wie Lärm, Verunreinigungen und Erschütterungen, und die Funktionsfähigkeit des Gebietes in bezug auf den fließenden und ruhenden Verkehr zu berücksichtigen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass in dem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet ein solcher Missstand vorliegt, der die Antragsgegnerin zur Sanierung berechtigt. Die hiergegen vom Antragsteller gerichteten Einwände, ihm sei der bisherige Durchgangsverkehr auf der Leinstraße angenehmer, weil er der Förderung des Umsatzes in dem von ihm vermieteten Ladengeschäft diene und die Anlegung einer Fußgängerzone führe zur Verödung der Innenstadt belegen nicht das Fehlen eines städtebaulichen Missstands und beschränken sich im übrigen auf die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Sanierungsmaßnahme aus der ausschließlich subjektiven Sicht des Antragstellers als einzelnem Grundstückseigentümer. Die Antragsgegnerin hat hingegen bei der Auswahl der Sanierungsmaßnahmen einen weiten Ermessensspielraum, den sie aus der Sicht der Interessen der Allgemeinheit wahrnimmt. Der weitere Einwand des Antragstellers, es liege keine Sanierungsmaßnahme vor, sondern die Herstellung von Erschließungsanlagen, ist bereits deshalb unzutreffend, weil das noch streitbefangene Flurstück 12/2 bereits vor Beginn der Sanierungsmaßnahme erschlossen war. Im übrigen folgt auch aus § 154 Abs. 6 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 2 BauGB, dass sich städtebauliche Sanierungsmaßnahmen durchaus auf Erschließungsanlagen beziehen können.

Nicht durchzudringen vermag der Antragsteller auch mit seinem Einwand, die Antragstellerin habe die Berechnung der Vorauszahlung in dem Bescheid vom 30. Mai 2000 entgegen § 1 Abs. 1 Nds.VwVfG i.V.m. § 39 VwVfG nicht ausreichend begründet. Die Antragsgegnerin hat die Offenlegung der Berechnung in dem Schriftsatz vom 11. September 2000 auf Seite 2 nachgeholt und damit von der Möglichkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG Gebrauch gemacht hat.

Die Kammer hat auch dem Grunde nach keinen Zweifel daran, dass nach Abschluss der Sanierung eine ca. 8%ige Erhöhung des Bodenwerts des im vorläufigen Rechtsschutz verfahren noch streitbefangenen Flurstücks 12/2 eintreten wird. Da die Bodenwertsteigerung von letztlich 8% für das gesamte Flurstück des Antragstellers angenommen wird (450,00 DM/m2 im Verhältnis zu 486,00 DM/m2 bzw. 972,00 DM/m2 im Verhältnis zu 900,00 DM/m2) kommt es jedenfalls für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren auch nicht auf die vom Antragsteller im Übrigen nicht aufgeworfene Frage an, ob sich der vom Gutachterausschuss am 26. November 1998 erstellten und der Berechnung der Vorauszahlung zugrunde gelegten Bodenrichtwertkarte eine auf den Quadratmeter genaue Abgrenzung der BWR-Zonen 1.1 einerseits und 1 andererseits entnehmen lässt. Dass jedenfalls dem zur Leinstraße ausgerichteten Grundstücksteil ein wesentlich höherer Bodenwert zuzumessen sei wird dem zum Perkwall ausgerichteten Grundstücksteil, ist offensichtlich.

Weder das Baugesetzbuch noch die Wertermittlungsverordnung - WertV - enthalten im Gegensatz zur endgültigen Erhebung für den Fall der Heranziehung einer Vorauszahlung auf den Ausgleichsbetrag eine Angabe über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermittlung des Anfangs- und Endwertes im Sinne von § 154 Abs. 2 BauGB. Die Vorauszahlung stellt eine Abschlagszahlung auf den Ausgeichsbetrag dar, der eine endgültige Festsetzung des Ausgleichsbetrags nachfolgen muss. Die Höhe der Vorauszahlung ist gesetzlich nicht geregelt. Sie steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin. Dem Charakter der Vorauszahlung als Abschlagszahlung entsprechend ist das gemeindliche Ermessen dadurch begrenzt, dass die Vorauszahlung - überschlägig ermittelt - nicht den voraussichtlich zu erhebenden Ausgleichsbetrag überschreiten darf. Maßgeblich ist deshalb eine Prognose des Betrags, der am Wertermittlungsstichtag nach § 28 Abs. 2 WertV, 162,163 BauGB zu erheben ist. Hierfür ist keineswegs zwingend notwendig, den Zeitpunkt der Erhebung der Vorauszahlung als maßgeblichen Wertermittlungsstichtag anzusehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.3.1997, NST-N 1997, S. 118 = NVwZ-RR 1998, S. 582 = BRS 59 Nr. 249). Deshalb sieht die Kammer den Rückgriff auf eine am 26. November 1998 für das Sanierungsgebiet erstellte Bodenrichtwertkarte als zulässig an.

Soweit der Antragsteller den Anfangsbodenwert in Höhe von 900,00 DM/m2 (für den zur Leinstraße ausgerichteten Grundstücksteil) als überhöht rügt, kann er damit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht durchdringen. Die Antragsgegnerin hat sich zur Ermittlung der nach § 154 Abs. 2 BauGB erforderlichen Grundlagen für das Bodenrichtwertverfahren entschieden. Dieses Verfahren ist nach § 13 Abs. 2 Satz 1 WertV auch bei der Berechnung von Ausgleichsbeträgen zulässig (u.a. OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.3.1997, aaO; Beschluss vom 2.3.2000 -1 L 4832/98 -). Ausweislich seines Gutachtens vom 19. Oktober 1994 ist der Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises Hildesheim dabei wie folgt vorgegangen:

"Für die hier anstehende Bewertung wurde das Sanierungsgebiet zunächst in zwölf Wertzonen unterteilt. Die geschah in Anlehnung an die bestehenden Bodenrichtwertzonen. Der Ausschuss fegt Wert auf den Hinweis, dass die graphische Darstellung dieser Gliederung nicht als strenge und linientreue Abgrenzung zu interpretieren ist, sondern als Änderung des Tendenzbereiches der durchschnittlichen Grundstückswerte aufgefasst werden muss. Zur Ermittlung des Anfangswertes greift der Gutachterausschuss auf die zum Stichtag 31.12.1993 ermittelten Bodenrichtwerte zurück. Für das Sanierungsgebiet sind bislang vom Gutachterausschuss nur sanierungsunbeeinflusste Bodenrichtwerte ermittelt worden, d.h. dass diese Bodenrichtwerte sich auf Zustandsmerkmale vor der Sanierung und Entwicklung ohne Beeinflussung durch die Sanierungsmaßnahme beziehen. Dieses Preisniveau basiert auf sanierungsunbeeinflusste Kauffälle bis 31.12.19831 Dieser Stichtag wurde von den Gutachtern deshalb festgelegt, weil bis dahin eine Sanierung der Innenstadt nicht in Rede stand. Diese aus Kaufpreisen abgeleiteten Grundstückswerte sind in den jährlichen Richtwertsitzungen des Gutachterausschusses für den Landkreis Hildesheim dem allgemeinen Grundstocksmarkt entsprechend fortgeschrieben" (Seite 11).

Für das (damals vollständig) in der Zone 1.1 gelegene Grundstück des Antragstellers setzte der Gutachterausschuss in dem Gutachten vom 19. Oktober 1994 für den Stichtag 31. Dezember 1993 einen Anfangsbodenwert von 800,00 DM/m2 an, den er einheitlich sowohl auf den zur Leinstraße hin als auch auf den zum Perkwall hin ausgerichteten Teil des Grundstücks bezog. Diesen Anfangsbodenwert hat der Ausschuss in seiner fortgeschriebenen Bodenrichtwertkarte mit Stichtag auf den 26. November 1998 für den zur Leinstraße hin ausgerichteten Grundstücksteil zwar abermals dergestalt fortgeschrieben, dass er ihn um 100,00 DM/m2 erhöht hat. Zugleich hat er jedoch den Anfangsbodenwert für den zum Perkwall ausgerichteten Grundstücksteil von 800,00 DM/m2 auf 450,00 DM/m2 gesenkt und ihn mithin bezogen auf den neu ermittelten Anfangsbodenwert halbiert. Der Anfangsbodenwert für das gesamte Grundstück des Antragstellers beträgt deshalb keineswegs 900,00 DM/m2, sondern unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Aufteilung des Grundstücks (270 m2 zur Leinstraße hin und 308 m2 zum Perkwall hin) nur abgerundet 660,00 DM/m2 ([900,00 DM/m2 x 270 m2 + 450,00 DM/m2 x 308 m2]: 578 m2). Der Gutachterausschuss hat danach den noch für den Stichtag 31. Dezember 1993 für das gesamte Grundstück ermittelten Anfangsbodenwert für den Stichtag 26. November 1998 deutlich verringert. Vor diesem Hintergrund und dem Charakter der Vorauszahlung als Prognose des endgültigen Ausgleichsbetrages erübrigt sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine genauere Hinterfragung der zeitlichen Entwicklung der Bodenrichtwerte. Die Frage, ob die bei der Erstellung der Bodenrichtwertkarte vom 26. November 1998 vorgenommenen Änderungen gegenüber den früheren Bodenrichtwertkarten erneut der gutachtlichen Darlegung im einzelnen bedürfen, mag entweder im Hauptsacheverfahren oder bei der endgültigen Heranziehung geklärt werden. Da die letzten Ermittlungen des Gutachterausschusses für den Antragsteller im Verhältnis zu den früheren Feststellungen jedenfalls im Ergebnis zu günstigeren Werten geführt haben, kann die Klärung dieser Frage im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dahingestellt bleiben. Einen Anspruch darauf, speziell für sein Grundstück eine Einzelbegutachtung vorgenommen zu sehen, hat der Antragsteller nicht. Dies widerspräche § 14 WertV. Danach ist Abweichungen des Bewertungsobjektes von den typischen Bewertungsmerkmalen eines durchschnittlichen Richtwertgrundstückes (nur) durch Zu- und Abschläge, nicht jedoch durch Einzelgutachten Rechnung zu tragen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 9.3.2000 - 1 L 5407/98 mwN). Substantiierte Angaben zu möglichen Abschlägen hat der Antragsteller jedoch mit Ausnahme einer Mietzinsangabe für sein Ladengeschäft nicht gemacht.

Offenkundig ist ebenfalls, dass sein Einwand, der errechnete (End-)Bodenwert für sein Grundstück in Höhe von 412.128,00 DM würde (fast) den auf dem Grundstücksmarkt zu erzielenden Kaufpreis für seine gesamte Liegenschaft einschließlich aufstehendem Gebäude und Nebenanlagen ausmachen, unzutreffend ist. Es mag sein, dass in der Nachbarschaft für ein vergleichbares Objekt nur ein Verkaufspreis von 650.000,00 DM erzielt werden konnte. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber vorgetragen, dass die Liegenschaft des Antragstellers das 2fache des errechneten Bodenwerts wert sei. Da hierfür weitere Faktoren wie das Alter, die Ausstattung und der Zustand der auf dem Grundstück aufstehenden baulichen Anlagen von Bedeutung sind, zu denen der Antragsteller nicht substantiiert vorgetragen hat, erscheint der errechnete Bodenwert von 412.128,00 DM für sein 578 m2 großes und u.a. gewerblich genutztes Grundstück mit zentraler Innenstadtlage von Alfeld jedenfalls mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht von vornherein abwegig.

Soweit der Antragsteller die Ermittlung des Endbodenwerts unter Hinweis auf die Nichteignung der Berechnungsmethode "Modell Niedersachsen" angreift, die nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts durchgängig zuverlässige Anhaltspunkte für die Werterhöhung liefert (u.a. OVG Lüneburg, Urteile vom 24.1.1992 -1 L 46/90 u. 1 L 47/90; Urteil vom 17.1.1997, NdsRpfl. 1997, S. 123 = BRS 59 Nr. 250; Beschluss vom 13.3.1997, aaO), bleibt dies im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ebenfalls ohne Erfolg. Die auch in der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts erkannte Schwäche des Modells, dass u. U. die geringste denkbare, noch ^ vom Modell erfasste Werterhöhung 13% beträgt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.3.1997, aaO), hat sich bei der vom Gutachterausschuss für das Grundstock des Antragstellers festgestellten Werterhöhung von 8% gerade nicht realisiert.

Auch hat der Gutachterausschuss bei der Ermittlung des Endbodenwerts mit der Einrichtung der neuen BWR-Zone 1.1 in seiner Bodenrichtwertkarte für den Stichtag 26. November 1998 seinen Feststellungen in dem Gutachten vom 19. Oktober 1994 entsprochen, dass der Sanierungsvorteil für die Grundstücke westlich der Leinstraße mit rückwärtiger Erschließung zum Perkwall geringer ist als bei den Grundstücken östlich der Leinstraße. In dem Gutachten heißt es hierzu:

"In der Zone 1 waren die Missstände vor der Sanierung für die Grundstücke östlich der Leinstraße etwas höher als westlich der Leinstraße, da hier eine rückwärtige Anlieferung der Geschäftsgrundstücke möglich war Für die Ermittlung des Endwertes hat das folgende Bedeutung: Bei Durchführung gleicher Sanierungsmaßnahmen in der Leinstraße kommt es dadurch im östlichen Teil der Leinstraße zu einer höheren Wertsteigerung als westlich der Leinstraße."

Diese Differenzierung hat der Gutachterausschuss in der letzten Bodenrichtwertkarte, die der Heranziehung zugrunde gelegen hat, umgesetzt. Der Antragsteller kann deshalb auch nicht mit seinem pauschalen Einwand durchdringen, die Gebietsabgrenzung sei nicht nachvollziehbar. Für die Kammer steht hierbei außer Zweifel, dass zumindest die zur Leinstraße hin ausgerichtete Teilfläche seines Grundstücks zu Recht dem Bereich des Sanierungsgebiets mit den höchsten Bodenwerten zugeordnet worden ist.

Nach alledem war der Antrag, soweit er nicht erledigt ist, abzulehnen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§161 Abs. 2,154 Abs. 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat den anteiligen Betrag zu tragen, der auf die .Klaglosstellung" im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entfällt.

4. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 20 Abs. 3,13 Abs. 2 GKG. Festzusetzen ist nach dem Streitwertkatalog der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (NdsVBI. 1995, S. 80) in vorläufigen Rechtsschutzverfahren 1/4 des Heranziehungsbetrages (31.068,00 DM: 4 = 7.767,00 DM).

Rechtsmittelbelehrung:

Soweit über die Kosten des Verfahrens aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten entschieden worden ist, ist der Beschluss gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.11.1981, DÖV 1982, S. 161).

Soweit über den Sachantrag entschieden worden ist, steht den Beteiligten die Beschwerde gegen diesen Beschluss nur zu, wenn sie vom Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Beschwerde kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Verwaltungsgericht Hannover, Eintrachtweg 19, 30173 Hanno- -ver schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftstelle beantragt werden. Der Antrag muss den angegriffenen Beschluss bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrages hemmt die Rechtskraft des Beschlusses. Der Antrag muss von einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule gestellt werden. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden kann der Antrag auch von einem Beamten oder Angestellten mit Befähigung zum Richteramt oder einem Diplomjuristen im höheren Dienst gestellt werden. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind ferner als Pro-zessbevollmächtigte in folgenden Angelegenheiten auch zugelassen:

1. In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts Mitglieder und Angestellte von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind,

2. In Abgabenangelegenheiten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer,

3. In Angelegenheiten der Beamten und der damit in Zusammenhang stehen den Sozialangelegenheiten Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,00 DM übersteigt (§ 25 Abs. 3 Satz 1 GKG). Die Beschwerde ist zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder nach anderweitiger Erledigung des Verfahrens schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Hannover, Eintrachtweg 19, 30173 Hannover oder beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in 21335 Lüneburg, Uelzener Straße 40 eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Dr. Wagner      Ufer       Schulz-Wenzel