STADT ALFELD (LEINE)
-Referendar Tekluck-
Afeld (Leine), 19.05.1987/Doe.

KURZGUTACHTEN

Sachverhalt

Im Rahmen der Stadtsanierung der Stadt Alfeld (Leine) fand am 02. September 1986 erstmals ein Informationsabend die Stadtsanierung betreffend statt. Dieser Veranstaltung ging ein Presseartikel sowie ein Anschreiben an die Alfelder Bürger voraus. Weitere Informationsabende folgten am 07. Oktober und 04. November 1986, in denen die Rahmenplanung und Fragen der Verkehrssituation erörtert wurden. Daraufhin wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Nach dessen Abschluß erfolgte eine Einführungsveranstaltung am 03. Februar 1987 mit Ausstellung sämtlicher Wettbewerbsunterlagen sowie eine eingehende Begründung der Entscheidung. Im Anschluß daran fand vom 04. Februar bis 10. Februar 1987 eine Ausstellung statt, die dem Bürger Gelegenheit gab, in die Einsicht der Wettbewerbsunterlagen bei ständiger Präsenz der zuständigen Fachleute aus dem Baudezernat. Am 10.02.1987 erfolgte dann ein Informationsabend mit Diskussion der Pläne. Ein weiterer Informationsabend erfolgte am 03.03.1987 mit anschließender Herausgabe einer Broschüre zwecke Information der Bevölkerung. Schließlich erfolgte am 14.04.1987 die förmliche Bürgerbeteiligung nach dem Städtebauförderungsgesetz. Bei diesem Anlaß wurde die Entwurfsplanung der Stadt Alfeld (Leine) vorgestellt. Im Zusammenhang mit dem Verfahren nach dem Städtebauförderungsgesetz gingen bei der Stadt Alfeld als Widersprüche bzw. Einsprüche bezeichnete Schreiben ein, in denen die Betroffenen die Verletzung von Mitwirkungs- und Erörterungsrechten nach dem Städtebauförderungsgesetz rügen. Solche Rechte sind nach §§ 1 Abs. 4 Satz 4. 4 Abs.2, 8 Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Städtebauförderungsgesetz vorgesehen.
Insoweit stellt sich die Frage nach Rechtsschutzmöglichkelten der Betroffenen in diesem Verfahrensabschnitt.

Rechtliche Würdigung

1. Die den vorbereitenden Untersuchungen vorausgehenden Voruntersuchungen, d. h., die Ermittlung der Problemgebiete, sind zwar Verwaltungsmaßnahmen aber keine Verwaltungsakte. Insoweit besteht weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch eine Rechtsschutzmöglichkeit. Die Voruntersuchungen sind auch keine förmlichen Voraussetzungen für die vorbereitenden Untersuchungen, d. h., der Beschluß nach § 4 Abs. 3 (räumliche Abgrenzung des räumlichen Bereichs der vorbereitenden Untersuchungen) und die Sanierungssatzung sind insoweit aus sich heraus auf ihre Sachgerechtheit zu überprüfen.

2. Die vorbereitenden Untersuchungen in den räumlich durch Beschluß der Gemeinde zu umreißenden Bereich, sind wie die Voruntersuchung Verwaltungsmaßnahmen, die, für sich betrachtet, keine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnen (Bielenberg Kommentar zum Städtebauförderungsgesetz zu S 4 Randnr. 54 a und b).

3. Der Bericht über die vorbereitende Untersuchung (§ 5 Abs. 2 Satz 2) -eine Voraussetzung für die Genehmigung der Sanierungssatzung nach § 5 -ist allein Beurteilungsgrundlage für die förmliche Gebietsfestlegung, also kein Verwaltungsakt oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme.

Es besteht weder ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis noch eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit (vergleiche Bielenberg a.a.O. Randnr. 54 c).

4. Weder die Grundsätze für den Sozialplan noch der Sozialplan selbst ( vergleiche §§ 4 Abs. 2 , 8 Abs. 2 Städtebauförderungsgesetz) haben verwaltungsexterne Rechtswirkungen. Die Grundsätze sind auch kein verwaltungsinternes Verwaltungs- oder .Entscheidungsprogramm, daß u. U. zu Ermessensbindungen bei Akten mit Außenwirkung führen könnte. Aus einem Sozialplan könnten sich allerdings (aus ihnen selbst oder im Zusammenhang mit seiner Erstellung, dann aber gesonderte) Rechtswirkungen ergeben, die Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnen. Dies aber nur, soweit sich' in dem Plan oder aus Anlaß der Erörterungen und seiner Aufstellung nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts individuelle Rechtsbeziehungen soweit konkretisiert haben (z. B. verbindliche Zusagen), daß hieraus Einzelnen Ansprüche erwachsen, die aus ihm oder der Planung als solche Ansprüche Einzelner hergeleitet werden. Auch unabhängig von Zusagen kann die ständige Verwaltungsübung zur Bindung der Verwaltung in weiteren Einzelfällen mit der Folge der Gleichbehandlung führen (vergleiche Bielenberg a.a.O. zu § 8 Randnr. 13).

5. Das allgemeine Mitwirkungsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 4 Städtebauförderungsgesetz steht in engem Sachzusammenhang mit den - gleichfalls allgemeinen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 3, so daß es bereits aus diesem Grunde nahe liegt, den Vorschriften über die Beteiligung (Mitwirkung im Städtebauförderungsgesetz) einen mindestens auch die Belange des einzelnen schützenden Charakters beizumessen. Das Abwägungsgebot, das einer jeden rechtsstaatlichen Planung immanent ist, hat Individualschutzcharakter. Die Abwägung als solche ist aber nur im Zusammenhang mit dem abschließenden Hoheitsakt überprüfbar. Hiervon gibt es keinen gesonderten Anspruch auf Abwägung überhaupt oder sachgerechte Abwägung.

6. Die Frage, ob vor Abschluß des Verfahrens ein Anspruch auf Mitwirkung besteht und gerichtlich durchsetzbar ist, erlangt besonders für Planung und ihnen vergleichbare Vorgänge Bedeutung, weil hier mit Abschluß des Vorganges weitgehend vollendete Tatsachen geschaffen werden, die auch durch nachträgliche Geltendmachung von Verfahrensfehlern und Nichtigerklärung der Planung nicht wieder oder nur unzulänglich beseitigt werden können. Insoweit werden Verfahrensfehler, die in unterlassener Mitwirkung bestehen, bei Verwaltungsakten im Zusammenhang mit der Anfechtung des Verwaltungsakts geltend gemacht; für eine selbständige Klage auf Beteiligung besteht hier kein Bedürfnis (vergleiche Bielenberg a.a.O. zu § 4 Randnr. 54 f).

7. Für die übrigen Beteiligungsvorschriften ergibt sich folgendes: Fraglich ist, ob aus § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 (auch) ein Individualrecht der hiernach zu Befragenden herzuleiten ist.

Die Ergebnisse der Erörterung nach Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1,2 einschließlich der zu entwickelnden Vorstellungen sind nur entscheidungsvorbereitende Handlungen in Hinblick auf die Festigung des Gebietes nach § 53; sie finden daneben ihre Fortsetzung auch in den Erörterungen, die nach Gebietsfestlegung durchzuführen sind, schließlich haben die Grundsätze nach § 4 Abs. 2 Satz 2 auch Bedeutung für den nach Gebietsfestlegung aufzustellenden Sozialplan, d. h., sie sind auch insoweit in einem gewissen Maße entscheidungsvorbereitend. Aus den Erörterungen und den Vorschlägen der Vorgebietsfestlegung zu Beteiligenden ergeben sich noch keine Anregungen und Bedenken, wie sie das Bauleitplanverfahren kennt (§ 2a Abs. 6 Bundesbaugesetz). Zwar sind die Ergebnissebeteiligungen bei dem Beschluß der Gemeinde (Satzungsbeschluß), inbesondere im Rahmen der auch hier vorzunehmenden Abwägung, zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Genehmigungsbehörde nach § 5. In beiderlei Hinsicht dienen die Ergebnisse der Ermittlungen jedoch nur zur Beurteilung der Möglichkeit der Bewältigung der Sanierung. Es handelt sich anders als beim Bebauungsplan nicht um die Abwägung (auch im individuellen Interesse). Aus den Ergebnissen nach Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, die Zielsetzung der Beteiligungen und den Wirkungen der Sanierungssatzung ergibt sich kein individueller Anspruch auf Beteiligung auf § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2. Es kann sich noch nicht um die individuellen Besonderheiten im Einzelfall handeln. Die den einzelnen unmittelbar treffenden Entscheidungen ergehen erst zu der Durchführung der Sanierung nach Gebietsfestlegung; das gilt auch für die planungsrechtlichen Grundlagen (Sanierungsbebauungsplan). Es handelt sich bei § 4 um typische, auch gruppenweise Ermittlungen, die es der Gemeinde ermöglichen sollen, in entsprechender pauschaler Weise die allgemeine Einstellung der Betroffenen zur Sanierung sowie die allgemeine Auswirkung auf die Lebensumstände zu ermitteln oder entsprechende Vorstellungen zu entwickeln. Hiergegen spricht nicht, daß die Erörterungen mit den einzelnen Betroffenen zu führen sind, sowohl nach Abs. 1 Satz 2, als auch nach Abs. 2 Satz 2. Dies zwingt nicht zur Annahme individueller Verfahrensrechte und entsprechender' Klageweise geltend zu machender Ansprüche.

Auch in den Fällen des § 4 Abs. 2a sind Erörterungen zu führen. Es kann allein von der Aufstellung der Grundsätze vor Gebietsfestlegung oder überhaupt Abstand genommen werden. Die Pflicht zur Erörterung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2, die Erörterungen sind auch deshalb nötig, um die betroffenen Belange zu ermitteln. Der Beschluß der Gemeinde nach § 4 Abs. 2a Satz 2 ist nicht selbständig anfechtbar, auch sonst keiner unmittelbaren gerichtlichen Überprüfung zuzuführen, desgleichen nicht die unterlassene oder unvollständige Darlegung der Gründe in dem Bericht nach § 5 Abs. 2 Satz 2, die § 4 Abs. 2a Satz 2 verlangt. Nach den obigen Grundsätzen dürften auch hier keine individuellen Ansprüche auf Durchsetzung der Aufstellung von Grundsätzen nach Abs. 2 gegeben sein, wenn die Gemeinde ihrerseits nach Abs. 2 verfährt oder zu verfahren beabsichtigt (vergleiche Bielenberg zu § 4 ; Randnr. 54 g).

8. Artikel 2 § 1 Nr. 1 der Novelle zum Bundesbaugesetz hat in § 9 Abs. 1 einen neuen Satz 3 angefügt, der die Verbindung der Neugestaltungserörterung nach § 9 Abs. 1 der Bürgerbeteiligung nach § 2a Neuerfassung Bundesbaugesetz herstellt. Die in diesem Satz bezeichnete Beteiligung der Bürger an der Bauleitplanung nach § 2a Bundesbaugesetz ist sowohl die sogenannte vorgezogene Bürgerbeteiligung nach § 2a Abs. 2-5 als auch die formelle Beteiligung im Rahmen des Auslegungsverfahrens nach § 2a Abs. 6. Die Voraussetzungen für die Ausnahmen von der vorgezogenen Bürgerbeteiligung nach § 2a Abs. 2, die § 2 a Abs. 4 vorsieht, dürften bei städtebaulichen Maßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz nicht in Betracht kommen, so daß regelmäßig eine vorgezogene Bürgerbeteiligung durchzuführen ist. Dadurch wird gewährleistet, daß vor Verfestigung des Entwurfs des Bebauungsplans die Neugestaltungsdiskussion geführt wird. Insoweit dürfte unzulässig sein, eine Neugestaltungserörterung nach § 9 Abs. 1 Städtebauförderungsgesetz erstmalig in dem förmlichen Auslegungsverfahren nach § 2a Abs. 6 Bundesbaugesetz durchzuführen. Das schließt - auch nach neuem Recht - nicht aus, daß bestimmte Fragen erst im Stadium der Planung erörtert werden können, indem ein auslegungsfähiger Entwurf vorliegt oder bereits die Auslegung durchgeführt wird. Die Klärung mancher Fragen setzt einen entsprechenden konkreten Stand der Planung voraus, z. B. die Frage der Beteiligung an der Sanierung. Daher schließt § 9 Abs. 1 Satz 3 die Verbindung von Neugestattungserörterung .im Planverfahren auch nach § 2a Abs. 6 Bundesbaugesetz nicht aus.

Im vorliegenden Fall kommt es jedoch nicht auf diesen Verweis im § 9 Abs. 1 § 2 StBauFG an, da im Rahmen der vorgesehenen Stadtsanierung lediglich eine Veränderung der Straßen- und Platzräume geplant ist, so daß weder der vorhandene Flächennutzungsplan geändert werden noch Bebauungspläne aufgestellt werden müssen, womit eine Beteiligung der Bürger nach § 2 a BBauG nicht erforderlich ist.

Referendar